Schlumberland - Tanzvorführungen vom Feinsten und schmissige Beiträge aus der Bütt begeisterten die Besucher der beiden ausverkauften TGS-Sitzungen am Wochenende im Riesensaal.
Dabei zeigten junge Büttenredner, dass sie kompromisslos und mit satirischem Einschlag geschliffen formulieren können. „Heut wird’s a bisserl laut“ - dieses Versprechen haben sie gehalten, die Narren in Silber und Blau. Wiederholt und wohl dosiert haben die TGS-Karnevalisten am Wochenende den Riesen-Saal aufgemischt. Allein acht Tanzgruppen mit 130 Tänzern boten die sportlichen Jecken auf und setzten damit die Glanzlichter zweier ausverkaufter Gala-Sitzungen. Prinz Bennet I. und Prinzessin Nina dürfen stolz auf ihr Staatsvolk sein.
Denn so heißen sie, die beiden Regenten, die als 32. TGS-Kindeprinzenpaar den Nachwuchs durch den Narrentaumel lotsen sollen (siehe gesonderter Bericht). Noch fieberten beide hinter den Kulissen, da schien ihr Thron schon in Gefahr: Als Ex-Prinzessin und Pagin mochten Leonie Krumb und Emma Sulzmann nicht weichen und boten in der Bütt beredten Trotz. War es der Restschwung der alpin-poppigen Eröffnungsnummer, von Elfer- und Damenräten auf die Bretter gelegt, oder hat dann doch die Neugier gesiegt? Bennet Beike und Nina Zöller bekamen ihren triumphalen Einzug, und mit einem schmissigen Tänzchen der Minigarde nach Wickie-Melodien auch ihre erste Huldigung.
So durfte sich Protokoller Frank Seibel getrost den Stürmen der Politik aussetzen - fast so turbulent wie das Wetter im vergangenen Jahr. Europa schwitzt vor „Affehitz“, der deutsche Staat „is lahm“ und andere in dieser EU sollten besser eigene Wege gehen. Bei VW stinkt’s, aber bald wird ja Hoeneß’ Zelle für hoch dotierte Abgastrickser frei. Und Seligenstadt? Da tönt es auch nach dem Bürgermeisterwahlkampf noch „Ei guude“ - gemessen am Echo aus dem Publikum bestimmt noch oft bis Aschermittwoch.
Neu in der Helau-Arena, lieferte die TGS-Midigarde mit den Trainerinnen Sonja Zöller und Ann-Sophie Walter ein flottes Polka-Medley ab, bevor Präsidentin Suse Sommer mit Prinz Stefan III. und Prinzessin Ruth die Obrigkeit ins Epizentrum winken durfte. Wozu der sportliche Zweig der großen Schlumber-Familie fähig ist, erlebte das Prinzenpaar sogleich: Stolze 36 Kinder zählte die Piratenbande, die mit Marina D’Allessio und Catarina Clarizia am Ruder eine bezaubernde Choreografie auf die Riesen-Bühne brachte. Fürs Publikum gab es da auch was zu lernen: „Getanzter Abgang“ heißt bei der TGS eine Mischung aus Zugabe und Auszugsmarsch, endend mit Tusch und nächster Ansage. Sobald der Akteur eher schlurft als tänzelt, braucht er eine „Zurückplatzmusik“.
Eifrig notieren dürfen das die topfitten Schulmädchen, die zumindest beim Tanzenlernen in der TGS-Formation „Let’s Dance“ hervorragend aufgepasst haben. Donnernder Applaus belohnte Celine Semlitsch und Anne Eiles mit ihren 18 Mädels. Eine Dame von Welt steht da natürlich drüber, hat Monika Meyer als alterndes Luxusgeschöpf doch schon die wirklich großen Herren der Schöpfung rasiert. Bei dieser Vergangenheit zeigt sich der welke Vamp von Welt, in der Rolle der Apollonia über 30 Jahre bei den Wendelinern in Hainstadt erprobt, nie ohne Bodyguards (Helge Fischer und Charlie Sörger). Mehr Mitleid weckt ein Biobauer, der wie Bütten-Routinier Wolfgang Braun auch noch geschliffen reimen und verbal wie haptisch mit Kartoffeln jonglieren kann. Öko-Eisbein ist, wenn die Wutze in der Suhle festfrieren.
Als Wecker zur Halbzeit zieht der kluge Kappenträger eine Life-Band auf. Auch diesmal hat das funktioniert. Mit zuverlässig zündenden Rock-Reißern und Helene-Fischer-Hits trieben „Discover“ den Narrhallesen noch den letzten Rest Pausenstarre aus. Dominik Lirsch, Carlos Unger, Fabienne und Frederick Nay gaben ebenso ihr Debüt wie die beiden Neuen im hohen Rat der TGS: Suse Sommer und Exprinz Wolfgang Hillenbrand stellten Susanne Schäfer als Dritte im Bunde der Ratsdamen vor. Der neue Ratsherr ist ein Bayer und braut seit Sommer Seligenstädter Bier: Julian Menner, Braumeister bei Glaab, passt die silber-blaue Narrenkapp’. Auch noch neu: Die Kostüme der Elfergarde, unter der Regie von Daniela Hell und Astrid Skrypzak mit einer zackigen Revue nach Michael-Jackson-Songs eingeweiht.
All die Dippscher, Schälscher, Deckelscher - und mittendrin Christiane Broughton mit trockenen Sprüchen und einem Superlativ: Das war sie, die größte Tupperparty des Jahres im Schlumberland. Gleich noch ein Ausrufezeichen: „Showtime“ mit den Harlekinen von Sabine Großkinsky, Tanz an der Grenze zur Kunst - oder schon darüber hinaus. Diese Leistung, mit einer Saal-Rakete gefeiert, toppten weder die „Dancing Sisters“ als Schlumber aus dem Traumland noch zum Finale das barocke Männerballett, von Sabine und Saskia Ehmig erst mit höfischer Eleganz, dann mit Funk und Tempo aufs klassische Glatteis geführt.
Beide Formationen setzten freilich eigene, schillernde Akzente. Zwischendurch zeigten junge Akteure die Zukunft die Fastnacht vor, wie sie durchaus werden könnte: Hart, kontrovers, mit satirischem Einschlag. Als lästernder Hausmeister in der Beziehungskrise lieferte Florian Lebherz sein Debüt mit zynischem Humor. Auch ein moderner Narr kann freilich durchaus punkten, wenn er auf dem Schoß des Bürgermeisters landet. Als ungleiches Paar hatten Saskia Ehmig und Paul Sommer schon ihren Erfolg vom Vorjahr, an den sie anknüpfen konnten: Hier das überdrehte Facebook- und Twitter-Girl, in Hashtags quasselnd, dort der weltfremde Professor-Doppeldoktor, der nicht einmal sein Süppchen kochen kann. 15000 Online-Freunde oder ein IQ von 189 - was zählt am Ende mehr? Wenn es eine Antwort gibt, kennen sie wohl nur die Narren.
rdk